Laboratorium 6 - Digital Kunst - ein Leben am Rand der Büchse der Pandora

Laboratorium 6 - Digital Kunst - ein Leben am Rand der Büchse der Pandora

An einem bestimmten Tag im Frühjahr 2016 kam aus dem 3D Drucker der Universität Delft ein Bild, das keinen Namen trägt, und keine Signatur eines Autors beinhaltet. Es zeigte das Portrait eines Mannes, das bis dato in keinem Archiv eines Museeums, oder einer anderen Datenbank zu finden war. Der Mann auf dem Bild trug einen großen ausladenden Hut und einen klassisch, weit ausladenden Kragen; so wie ihn eventuell Kaufleute oder wohlhabende Personen des öffentlichen Lebens in Amsterdam des 16. Jahrhunderts getragen hätten. Für einen Kunsthistoriker, der sich in diesem Moment im Raum befunden hätte, ein Leichtes zu erkennen, das dies Bild an einen Rembrandt erinnerte. Das Problem bei der Sache war nur; dieser bedeutenste Maler des niederländischen Barocks, hat dieses Bild nie gemalt; der Mann, der dort zwischen den 13 Schichten UV Tinte auftauchte, nie gelebt.

Ein Team aus Forschern der Universtät Delft, bestehend aus Werbern, KI Experten und Programmieren, hatten in einer 18 monatigen Phase, sämtliche zur Verfügung stehenden Daten des Malers zusammengesucht und daraus ein völlig neues Bild berechnen lassen. Dabei konzentrierte man sich hauptsächlich auf Rembrandts Portraitmalerei (1630-1640) und untersuchte nicht nur den Duktus der Pinselstriche, sondern auch mittels eines Algorithmus die geometrische Anordnung der Gesichter; berechnte die Abstände der Augen zur Nase, sowie alle anderen wichtige Gesichtspartien zueinander. Dadurch konnte am Ende der langen Forschungs und Brechnungsphase, das Portrait eines Mannes entstehen, der durchaus von Rembrandt hätte gemalt werden können; wenn er denn gewollt hätte, bzw. wenn es diesen Mann gegeben hätte.

Die Frage warum Menschen überhaupt dieses Bestreben haben, ein Kunstwerk vollständig im Computer entstehen zu lassen, ist eventuell so alt wie der Wunsch tote Dinge zum Leben zu erschaffen. Moderne Fiktionen, wie etwa die Prophezeiung der wahrscheinlich baldigen Existenz einer generellen künstlichen Intelligenz, treiben uns in höherem Maße an, so wie die klassische Ideen von Naturvölkern etwa. Doch die meisten Ideen sind um Kernmotive herum gesponnen. Wie könnte es auch anders sein, da sie ihren Ursprung im gleichen codifizierenden System haben (vergleichbar mit den Hunden, Katzen und Menschen, die durch irdische Evolution Taktung mehr oder weniger so teilen, dass sie kommunikativ kompatibel sind). Es gibt einen Ur-Code hinter allen Ideen. Die künstliche Intelligenz ist bei genauem Hinschauen doch nur die moderne Geschichte des Kabbalisten, der über den Golem sinniert.

Der Mensch, oder die Gesellschaft bleibt bei seiner Rezension solcher Ereignisse eher auf Distanz und belebt diese Kernmotive lieber auf seine ihm eigene Art und Weise. Da ist es am Rande dann nur wenig interessant, wer, wie, wann, was, wo ? - sondern nur noch wieviel? Das zeigt sehr gut das Beispiel des 2 Jahre später entstanden Werkes der Künstlergruppe Obvious, mit dem Titel: “min G max D Ex[log(D(x))]+Ez[log(1-D(G(z)))]” Es sei das erste Bild einer künstlichen Intelligenz, das bei einem großen Auktionshaus (Christie) “unter den Hammer” kam. Auch hier wurde ein Datensatz von 15.000 Portarits, die zwischen dem 14 und 20. Jahrhundert entstanden sind, zu Grunde gelegt. Auf dieser Basis erzeugte der Algorithmus so lange Bilder, bis sein Gegenspieler eines davon, für ein vom Menschen geschaffenes hielt. Interessant bei diesem Beispiel ist sicherlich nicht, wieviel Menschen für Kunst bereit sind zu zahlen, sondern letzendlich welche Geschichte sich dahinter verbirgt. Es ist völlig unerheblich was sich genau auf der von UV Tinte bedruckten Fläche befindet, sondern was es in uns auszulösen vermag. Der Trick dabei ist es, das die neuen, dort herum erzählten Geschichten, irgendwie immer um die alten Kernmythen herumgesponnen werden müßen, um an unseren Synapsen andocken zu können.

Real Time Face to Face Technologien bieten heute schon die Möglichkeit durch Identiäts High Jacking einem Menschen die Worte einer völlig anderen Person nachsprechen zu lassen. Hyperfotorealistsiche Style Transfer Technologien können Bilder per One Klick den Duktus von anderen Kunststilen übertragen. Der Identitäsverlust den wir jetzt schon dadurch erleiden nimmt Dimension an die wir nicht im Ansatz heute erahnen können. Während im Hintergund die KI also fleissig ihre Hybridenbastarde aus der Büchse der Pandora verschiesst, vermag Erin Mariie Wallace, deren Firma Rare-Era Appraisals bei Washington Kunstwerke schätzt, im Gespräch mit dem Radiosender NPR, kein anderes Mantra zu wiederholen, als wir nicht schon längst kennen würden. “Wir bestimmen neu, was Kunst im 21. Jahrhundert eigentlich ist. Kunst wird, denke ich, daran gemessen, was Leute bereit sind, dafür zu zahlen.”