Laboratorium 5 - Traktate aus der alchemistischen Hexenküche

Laboratorium 5 - Traktate aus der alchemistischen Hexenküche -

"Das Neuroplitische Manifest - Eine kurze Gebrauchsanleitung zur Aufzucht und Pflege einer utopischen Welt"
  1. Die Erschaffung eines Duplikates

In “Die Mächte des Wahnsinns “bemächtigt sich Sutter Cane des Willens von John Trent, eines Versicherungsagenten. Dieser ist das genaue Duplikat zu der Hauptfigur des Romanes, sowie sich die existentielle Wirklichkeit später als ein billiger Abklatsch des Romanes erweist. Cane benötigt, genauso wie wir, neben sich selbst als entscheidenden Faktor sowie dem Buch, eine dritte Anziehungsquelle. Diese dritte Quelle kann sowohl ein Mensch, als auch unter gewissen Umständen ein Gegenstand sein. Auf jeden Fall muß sich die materielle Existenz dieses Objektes auf unsere Welt beziehen, um somit einen konkreteren, dieseitigeren Bezugspunkt entstehen zu lassen, als es die aus der Sache heraus bedingte Identifikation mit den zu bearbeitenden Stoff, je erlauben würde. Erst so bildet sich am Ende das” Trigneum Igneum”, das feurige Dreieck, aus dem am Ende Welten entstehen können.

_“Nur in der Dualität der natürlichen Widerstandskräfte, zwischen allem Lebenden und dem Willen der Welt, können wir uns selbst erkennen.""_

Jetzt, genau an dieser Stelle, kommt ein entscheidender und äußerst wichtiger Punkt für den gesamten Prozess ins Spiel. Denn John Trent ist eine ganze Zeit lang ein ziemlich unwilliger Bezugspunkt, der sich mit Händen und Füßen gegen den drohenden Zusammenbruch seiner Vorstellung von existenzieller Realität wehrt. Das sich ständige zur Wehr setzen und Leugnen, von Seiten Trent's aus, ist allerdings für Cane ein geeigneter, energetischer Bezugspunkt. Denn bei dieser Leugnung, dieser verständlichen Reaktion, handelt es sich letztendlich um nichts anderes als eine ganz besondere Form der Identifikation. Dieser Verleugnungsprozess ist energetischer als jeder gut gemeinte und naive Glaubensansatz. Die Idee (Buch) wird somit, wie während des alchemischen Wandlungsprozeßes durch den Artifex (Künstler) - also in unserem Falle Cane, in den zu bearbeitenden Stoff (Trent) projiziert. Das Ergebnis daraus, wird in der Sprache der Alchemisten, als die “Materia Prima” bezeichnet. Sie ist die Quintessenz eines jeden schöpferischen Aktes; also nicht der Lehm aus dem beispielsweise der Golem geschaffen wurde, sondern die Summe dessen - sein lebendiger Leib.

_“Alles was ein ungeborenes Kind im Mutterleib von der Welt dort draußen versprochen bekommt, ……"_

Für uns, in unserem konkreten Falle, bedeutet dies, dass wir uns ein geeignetes Medium suchen, um den letzten entscheidenden Schritt zu vollziehen. Das Material, das es hierbei zu bestellen gilt, muss bei unserem Vorhaben auf jeden Fall ein Mensch sein, kann aber auch zusätzlich einen Gegenstand beinhalten, der eine konkrete Rolle innerhalb des fiktiven Entwurfes spielt. Entscheidend ist nur, dass beide Medien bis zu einer gewissen Phase des Prozesses genügend natürliche Widerstandskräfte gegen unser Vorhaben entwickeln. Da sich alles in der ontologischen Terminologie dieses Universums, auf sowohl abstoßende als auch anziehende, magnetische Kräfte beruft, ist es entscheidend, dass wir ein ausreichendes Gegenenergiespektrum aufbauen. Durch die natürlichen Widerstandskräfte des Geistes, der sich gegen das nicht selbst aus sich hervorgerufene, schöpferische Suggerat sperrt, ist es erst möglich, dass sich ein Antischwerkraftfeld bildet, in dem sich dann das Substanzielle des Entwurfes, durch die abstossenden Kräfte, eine Art Gegenidentifikation ausbreitet. Wenn sich beispielsweise John Trent, mit Händen und Füßen gegen den sich ausbreitenden Wahn einer durch den Autor Sutter Cane hervorgerufenen Wirklichkeit wehrt; so begünstigt das die Sache nur weiter, als das es sie beeinträchtigen würde.

_"…….erfüllt sich gerade deswegen nicht,……"_

Es genügt also schon die bloße Auseinandersetzung, um den Prozess weiter in Bewegung zu halten. Da ja Trent das Buch selber nicht geschrieben hat, also der Stoff nicht aus ihm ist, gelingt dessen Aufnahme und inhaltliche Verarbeitung nur durch die prinzipielle Verneinung. In ihrer Substanzialität entwickeln deshalb anziehende als auch abstoßende Kräfte, dasselbe Energiemuster. Das alchemische Experiment, das der Arzt Viktor Frankenstein, in Mary Shelleye's Novelle vollzieht, muß scheitern, da er sein Wesen aus einem herkömmlichen Material formt. Die fleischliche Substanz, des aus einzelnen Leichenteilen zusammengesetzten Körpers, entwickelt in seiner Materialität zwar genügend Kräfte um zum Leben erweckt zu werden, setzt aber seine natürlichen Widerstandskräfte gegen seinen Schöpfer ein, als sie lieber zur Transformation, also Weiterentwicklung in sich selbst anzuwenden. Dieses liegt aber gar nicht in der Anlage der Kreatur, da sein Schöpfer es versäumt hat ihm einen Namen zu geben, mit dem es sich identifizieren hätte können.

_"…..weil es gerade durch den Gegensatz und die Widerstandskräfte dieser Welt, sich somit zum ersten Mal selbst erfährt."_

In der jüdisch-mittelalterlichen Erzählung um den Golem, wird durch die magischen Künste des Rabbi Löw eine Lehmstatue zum Leben erweckt. Das Material, also der Lehm, ist eigentlich der körperlichen Substanz eines lebenden Wesens genau entgegengerichtet, und entwickelt gerade deshalb genügend natürliche Widerstandskräfte. Wiederum die Analogie des Lehmes zur Erde dafür sorgt, dass diese Kräfte daraufhin in einen konstruktiven Prozess münden können. Nur in der Dualität der natürlichen Widerstandskräfte, zwischen allem Lebenden und dem Willen der Welt, können wir uns selbst erkennen. Alles was ein ungeborenes Kind im Mutterleib von der Welt dort draußen versprochen bekommt, erfüllt sich gerade deswegen nicht, weil es gerade durch den Gegensatz und die Widerstandskräfte dieser Welt sich somit zum ersten Mal selbst erfährt. Demzufolge braucht auch der Entwurf zu einer fiktiven Welt, die in ihren Anlagen Wirklichkeit verspricht, das sinnliche Erfahren der natürlichen Widerstandskräfte dieser Welt, um sich letztendlich selbst erkennen und somit auch selbst verwirklichen zu können.

_“Ich dagegen unterwerfe mich weiter der Einsicht eines minutiös, der nicht einer allgemeingültigen Vorstellung von dem was möglich ist und was nicht gehorcht……."_

Den ersten entscheidenden Schritt gehen wir, in dem wir eine absolut geschlossene und einheitliche Welt, von gerade zu luzider Intelligenz, demonstrieren. Die Auflösung dieses Perpetum Mobiles gelingt uns nur dann, wenn wir die Einheitlichkeit und Originärität dieser Welt auch nach Außen hin aufrecht erhalten können. Das kann soweit gehen, dass wir uns zwar noch in dieser Welt bewegen, aber prinzipiell nicht mehr von dieser Welt sind. Die beiden großen, geistigen Ziehväter dieses fantastischen Vorhabens, Lem für den Kreationsentwurf und Borges für den Realisatonsentwurf, treffen beide in Lem's Nachwort zu Borges Erzählungsband wieder aufeinander. In dieser “Unitas Oppositorum” klärt uns Lem darüber auf, das es zwischen einer fiktiven (d. h. nie ernst zu nehmenden) Ontologie, und einer reellen (historisch gesicherten), substanziell keinen Unterschied gibt. Die eine Welt unterscheidet sich von der anderen nur deshalb, weil beispielsweise Schopenhauers Auslegung von der " Welt als Wille”, uns, von ihm als ontologische Doktrin mit, dem nötigen assertorischen Zusatz präsentiert wurde.

_"…….sondern als eine Anweisung zum fantastischen Leben zu verstehen ist. Eines Lebens, das auf die kleinsten Nuancen eines Einbruches unserer Wirklichkeit wartet;……."_

Diese Welt wurde also deshalb nur kulturhistorisch von uns anerkannt, weil sie sich durch ihren konsequenten Behauptungsdrang von jeglichen utopischen Entwürfen unterschied und absetzte. Hätte diese Auslegung von der Welt, mit den literarische Mitteln eines Autoren mit Namen Borges stattgefunden, so wäre dieser Entwurf nie in die historischen Schatzkammern menschlichen Gedankenguts eingegangen, sondern müsste jetzt als fantastische Literatur irgendwo in den Nischen unserer Wirklichkeit Platz nehmen. Genauso wie Borges hält sich” Nova Utopia und das Neuropolitisch Manifest " an die streng von der menschlichen Kulturgeschichte überlieferten Ausgangs-Axiomatik, und verstößt somit nie gegen ihre Syntax.

_"……und sei es nur durch die plötzliche Existenz eines Gegenstandes den niemand kennt, und der auch nirgendwo verzeichnet ist,……."_

Die Analyse, die Lem in der” Unitas Oppositorum” (die Einheit sich ausschließender Gegensätze) vollzieht, wollen wir somit auch auf „das Neuropolitische Manifest” anwenden. Er stellt dabei fest, das die Verwirklichung seiner (Borges) syntaktischen, also kombinatorischen Operationen, vom rein logischen Standpunkt aus vollkommen in Ordnung gehen; nur wurden diese aus extralogischen Gründen nie im Ernst ausprobiert. Wir dagegen wollen nun dieses fantastische, ontologische Experiment, mit Fiktion und Wirklichkeit “auffüllen”, wodurch die empirische Welt der konkreten, materiellen Realität uns nur noch als bloße Idee erscheint - eine allmählich verblassende Erinnerung.

_"…….außer in einem seltsamen Buch mit den Namen, den wir ihm gegeben haben."_

Borges und die Söhne seiner geistig, metaphysischen Erziehung sind durch ihre fiktiven Entwürfe von alternativen Realitäten, mögen sie auch noch so fantastisch anmutend wirken, näher an unserer existentiellen Realität als es vor ihnen jemals ein Morus, Campanella, Bacon oder auch Marx in ihren Entwürfen waren. Der dort darin praktizierte, zur existenziellen Doktrin erhobene Idealismus, ist weit davon entfernt das Chaos zu durchdringen. Dieses Chaos der Welt und dessen Gesetzmäßigkeit, wird dagegen bei uns zur festen, alles bestimmenden Disziplin erhoben. Ich dagegen unterwerfe mich weiter der Einsicht eines minutiös, geordneten Planes, der nicht einer allgemeingültigen Vorstellung von dem was möglich ist und was nicht gehorcht, sondern als eine Anweisung zum fantastischen Leben zu verstehen ist. Eines Lebens, das auf die kleinsten Nuancen eines Einbruches unserer Wirklichkeit wartet; und sei es nur durch die plötzliche Existenz eines Gegenstandes den niemand kennt, und der auch nirgendwo verzeichnet ist, außer in einem seltsamen Buch mit den Namen, den wir ihm gegeben haben.

_“Es gibt keine Wahrheit, sondern nur Erstaunen” (Jose A. Zapata)_

Dann können wir, ähnlich wie der Erzähler in Borges “Tlön, Uqbar, Orbis Tertius” anschließend feststellen: " Die Berührung und der Umgang mit Tlön haben diese unsere Welt zersetzt. Man hat die Numismatik, die Arzneikunde, die Archäologie reformiert. Ich halte es für ausgemacht, dass die Biologie, und die Mathematik ebenfalls ihrer erneuerten Gestalt harren - Englisch, Französisch und sogar Spanisch werden dann von unserem Planeten verschwunden sein “. Somit können wir dann abschließend, wie auch Borges in seiner Utopie, feststellen:
“UND DIE WELT WIRD TLÖN SEIN "

(Quelle: Neuroplitisches Manifest/ Innerdatasun, Judas Laptop, Rocker Rabbit)